Sächsische Zeitung, Görlitz, 02.06.2024

Geschmückt und Spazieren gefahren: So kommen die neuen Kirchenglocken in Reichenbach an

Bis zum ersten Glockenklang vergehen noch ein paar Tage. Die Vorfreude ist groß. Eichenholz vom Glockenstuhl aus dem Jahr 1671 kann ersteigert werden.

Von Constanze Junghanß

Sie haben die neuen Reichenbacher  Glocken heil nach Hause gebracht: Pfarrer Christoph Wiesener (links) und Oliver Weiser.
Sie haben die neuen Reichenbacher Glocken heil nach Hause gebracht: Pfarrer Christoph Wiesener (links) und Oliver Weiser. © Foto: Constanze Junghanß

Nach sechsstündiger Autobahnfahrt kamen die Glocken am Freitagnachmittag in Reichenbach an. Christoph Wiesener und Oliver Weiser hatten die tonnenschwere Fracht per Hänger aus dem hessischen Sinn abgeholt. Pfarrer Wiesener und Gemeindekirchenrat Weiser gönnten sich nur eine kurze Verschnaufpause, bevor die drei mit Girlanden umwickelten und mit Blumenkränzen geschmückten Glocken über die Dörfer rund um Reichenbach schipperten.

Der erste Glockschlag erfolgte noch unten am Boden. © Foto: Constanze Junghanß

Per Fahrzeug und im Hänger selbstverständlich. Eine Glockenfahrt, wie es sie so noch nie gegeben hat und die von den Bewohnern der Ortsteile Mengelsdorf, Biesig, Dittmannsdorf, Krobnitz, Meuselwitz, Borda, Schöps, Goßwitz, Öhlisch und Niederreichenbach mit Fotoapparaten, Handys, per Fahrrad und im Auto begleitet wurde. Christoph Wiesener möchte mit der Glockenfahrt in den kleinen Ortsteilen der Stadt zeigen: „Der Glockenklang gilt allen Dörfern.“

Die Glocken- und Kunstgießerei Rincker goss zwei der drei Reichenbacher Glocken neu. Die große Glocke allein bringt rund 1.500 Kilogramm auf die Waage, diese Glocke kostete um die 25.000 Euro, benennt Pfarrer Wiesener die Summe dafür. Mit Radlader und Kran wurden die Glocken in Sinn auf Weisers Auto und den Hänger geladen, dann ging es nach Hause. Staufrei und problemlos.

Zuvor musste der Glockenstuhl saniert werden. Am 10. November 2023 wurden deshalb die Glocken aus dem 46 Meter hohen Kirchturm geholt. Mit Kran und mit Mauerdurchbruch hoch oben am Fenster. In Reichenbach war es seitdem mehrere Monate still. Viele Einwohner vermissten den Klang ihrer Glocken, die Christvesper zu Weihnachten letztes Jahr feierten 300 Besucher ohne das traditionelle Läuten. Eine ungewohnte Zeit, die aber bald der Vergangenheit angehört.

Erst wurden die Glocken durch die Reichenbacher Ortsteile gefahren, dann kamen Reichenbacher bei der Kirche zusammen, um zu erleben, wie sie in den Glockenstuhl hinaufgebracht werden. Hier schwebt die kleine Glocke ein. © Foto: Constanze Junghanß

Allen Wettervorhersagen zum Trotz konnten die Glocken am Sonnabend im Beisein von geschätzt mehr als 300 Besuchern in den Kirchturm gehoben werden. Erneut kam der Kran vom Unternehmen Felbermayr, Niederlassung Markersdorf, nach Reichenbach, um die Glocken mit dem Kranarm in luftige Höhen und bis zum Kirchturm zu transportieren. Problemlos hat das geklappt, alle Glocken sind nun wieder in der St. Johanniskirche drin.

Auch der Glockenstuhl ist saniert

Den Glockenstuhl saniert hat gleichfalls ein Unternehmen aus der Region. Die Zimmerei Gerd Wiedmer aus Nieder Seifersdorf vollbrachte die Sanierung. In dem Umfang sei dieser Auftrag etwas ganz Besonderes gewesen, wie der Firmenchef des Drei-Mann-Unternehmens sagt. „Das hat uns viel Freude gemacht“, bekräftigt Gerd Wiedmer, der zudem als Unterstützung für das Projekt eine spannende Idee umsetzte.

Gerd Wiedmer stellte aus Teilen des jahrhundertealten Glockenstuhls ungewöhnliche Kunstobjekte her. Bei einigen sind die original geschmiedeten uralten Nägel verarbeitet und andere antike Eisenteile aus dem Jahr 1671, aus dem auch das Eichenholz stammt. Einzelstücke mit Historie zum Anfassen sind das geworden, wahlweise als Kerzenständer, als Aufhängung für den Herrnhuter Stern oder einfach nur zum Hinstellen. Diese Unikate werden im Rahmen der mehrtägigen Festveranstaltung „350 Jahre Wiedereinweihung St. Johanniskirche Reichenbach“ versteigert, um einen Teil der noch benötigten Summe zusammenzubekommen.

Mit dem Kranarm geht es hoch zum Turm der Reichenbacher St. Johanniskirche. © Foto: Constanze Junghanß

Erstes Läuten dauert 15 Minuten

Läuten werden die neuen Glocken dann erstmals am 23. Juni um 11.50 Uhr als Festgeläut. Dazu singen die Kita-Kinder aus Reichenbach und aus dem tschechischen Radvanec ein bekanntes Glockenlied, in das der neue Klang eingebunden wird, um danach für 15 Minuten durchgängig zu läuten. Das Fest findet vom 20. bis 23. Juni statt. Erwartet werden unter anderem der Kammerchor Jeunesse Berlin, es gibt Glocken- und Kirchführungen, Konzerte, Lesungen und mehr. Am Sonntag veranstaltet die Kirchgemeinde ein „Fest für die Stadt“ auf dem Kirchplatz, an dem Vereine und Schausteller mitwirken.

Von den rund 165.000 Euro Sanierungskosten nebst Glockenguss fehlen etwa 13.000 Euro zur Gesamtfinanzierung. Zwar kam über Stiftungen, Privatpersonen, die Kirchgemeinde und zahlreiche Unterstützer der Großteil des Geldes zusammen. Allerdings erfüllten sich nicht alle Hoffnungen.

(02.06.2024) Beitrag Sächsische Zeitung

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