Die lange Geschichte unserer Glocken
Die St. Johanniskirche wird sehr wahrscheinlich mit der Gründung der Stadt (1238 urkundliche Ersterwähnung) erbaut, hat als Sitz eines Erzpriesters wohl auch Glocken und einen „Seiger“, eine Kirchturmuhr (1584 urkundlich bestätigt).
Als am 2. August 1626 der Turm der St. Johanniskirche durch Blitzschlag in Flammen aufgeht, schmelzen auch die Glocken.
Wegen des 30jährigen Krieges wird der Wiederaufbau erst am 28. Juli 1646 abgeschlossen. Am 12. August (11. So. n. Trin.) wird der Turm mit Seiger und Glocken eingeweiht. Darüber ist uns die Predigt von Diakon Kirchoff erhalten.
Es müssen 4 Glocken gewesen sein, denn 4 Glocken gehen verloren, als am 11. September 1670 die Stadt samt Kirche niederbrennt – berichtet Christian-Gottlieb Käuffer in seiner Chronik. Es braucht einige Jahre, bis alle drei Glocken „mit Zusetzung des alten Metalls“ wieder erklingen.

  • 1672: CHRISTUS-GLOCKE „30 Centner weniger einem halben Pfunde“ und LUTHER-GLOCKE „15 Centn. 51 ½ Pfd.“ von Abraham Siefert in Görlitz gegossen.
  • 1728: MELANCHTHON-GLOCKE „4 Centn. 20 Pfd.“ von Benjamin Körner – Görlitz gegossen.
  • 1755: LUTHER-GLOCKE, da fehlerhaft, von Friedrich Körner – Görlitz neu gegossen.

Ihre Inschriften sind uns erhalten.
Beim letzten großen Stadtbrand 1799 wird die LUTHER-GLOCKE wohl durch eine Spitzhacke so beschädigt, dass sie zerbricht. Es bleibt ein Zweiergeläut, bis 1833 zwei Legate und eine großzügige Glockenkollekte der Gemeinde die nötige Summe erbringen, um einen Umguß aller drei Glocken dem „rühmlichst bekannten Glockengießer“ Friedrich Gruhl aus Kleinwelka anzuvertrauen, erneut unter „Zusetzung des alten Metalls“. Er schafft ein Werk, das in der Stimmung >des-f-as< die Vorgängerglocken an Klang, Größe und Gewicht überragt.


Als 1917 die Glocken für den 1. Weltkrieg eingeschmolzen werden sollen, werden sie in die Gruppe C (besonderer geschichtlicher, wissenschaftlicher oder Kunstwert) eingestuft, d.h. nicht konfiszierbar. Drängendere Bescheide des Kriegsministeriums kann Sup. Hugo Fichtner geschickt verhandelnd bis zum Kriegsende (11.11.1918) hinauszögern. Die „herrlich klingenden“ Glocken sind gerettet.
Im 2. Weltkrieg gelingt das nicht noch einmal. 1937 wird noch ein elektr. Geläut angeschafft. Die Fa. Wockelmann aus Herford montiert drei Läutemaschinen.
Am 11. Juli 1942, eine Gipsmarke in der Glokkenstube und das Abschiedsgedicht von Oswald Urban vom 02.02.1942 zeugen noch heute davon, verlieren wir alle drei Glocken. Sie werden auf den Glockenfriedhof nach Hamburg verbracht. Die historisch wertvolle LUTHER-GLOCKE, kann zurückgeholt werden, die anderen trotz großer Bemühungen der Kirchengemeinde nicht. Als Ersatz wird die kleine Glocke 1955 von einer Gemeinde in Weißwasser gekauft und die CHRISTUS-GLOCKE 1956 schweren Herzens durch den
Neuguß einer Stahlglocke (920 kg) durch die Fa. Schilling & Lattermann in Apolda ersetzt.
Beide „neuen“ Glocken werden unter beträchtlichen Schwierigkeiten am 7./8. Juni 1956 in den Glockenstuhl aufgezogen und in neue, gekröpfte Joche gehängt. Ihr Geläut erklingt erstmals um
22 Uhr. Die Glockenweihe erfolgt am 1. Juli.
Ein klangharmonisches ausdrucksstarkes Geläut kann so nicht entstehen, das muss sich der damalige Gemeindekirchenrat eingestehen.
2022, so der Glockensachverständige unserer Landeskirche, Helmuth Kairies, ist der Glockenstuhl von 1674 dringend sanierungsbedürftig und die wertvolle LUTHER-GLOCKE, die das Metall der Glocken aus der Zeit vor dem 30jährigen Krieg in sich trägt, muss in ein gerades Joch gehängt werden, damit sie keinen Schaden nimmt. Die Stahlglocke ist in die Jahre gekommen und muss ersetzt werden.