Der Glockenausschuss traf sich zum 4. Mal.

Einige zentrale Punkte aus dem Protokoll:

1. Die Angebote des Glockenbauers liegen vor:
Angebot: für alle 3 Glocken für das Herunterholen der Glocken aus dem Kirchturm, Aufziehen und anbringen der Glocken, Lieferung der drei geraden Holz-Joche, der Läuteanlage (Motoren und Antriebsrad nebst Kette) und Schlagwerk für die Uhr. Kosten ca. 21.000 EUR.
Zusatz-Angebot: für historische „Regenschirmklöppel“ für alle 3 Glocken. Kosten ca. 4.700 EUR.

Die Denkmalpflegerische Zielstellung (Begründung für das Glockenprojekt) liegt vor.
TEXT:

Stellungnahme zur Glockenanlage der Kirche Reichenbach O/L zur Erlangung einer denkmalrechtlichen bzw. kirchenaufsichtlichen Genehmigung
Nachdem durch den Krieg 1914-1918 das zuletzt 1933 von Friedrich Gruhl, Kleinwelka, gegossene Geläut verschont blieb, gingen im 2. Weltkrieg die größte und die kleinste Glocke durch Abgabe verloren. Seitdem besteht das Geläut der Reichenbacher Johanniskirche aus einem Sammelsurium von Glocken unterschiedlichen Metalls und Rippenarten.

Daten zu den Glocken:
Glocke 1: f‘ -4 die mittlere Glocke in Bronze des ehemaligen Gruhlgeläutes von 1833 in Untermollsextrippe (z. Z. tontiefste Glocke des Geläutes) aufgehängt an einem gekröpften Stahljoch mit Reversionsklöppel
Glocke 2: g‘ -6 die große Glocke, eine Eisenhartgussglocke gegossen 1955 von Schilling & Lattermann am gekröpften Stahljoch mit Reversionsklöppel
Glocke 3: b‘ -7,5 die kleine Glocke, eine Bronzeglocke, wurde 1955 von Weißwasser angekauft und hängt ebenfalls an einem gekröpften Stahljoch mit Reversionsklöppel.

Hinweise zu den Glocken:
Bei einer Hängung am gestelzten Stahljoch verliert fast jede leichtrippige Bronzeglocke ihren schönen Klang und wird durch den Reversionsklöppel zusätzlich klanglich verzerrt. Es ist deshalb unbedingt erforderlich, dass die bestehende Luther-Glocke (Bronzeglocke – Gruhl-Geläut 1833) so schnell wie möglich an ein gerades Holzjoch umgehangen und mit Normalklöppel ausgestattet wird. Gekröpfte, oder wie man auch sagt „gestelzte Stahljoche“, haben am Joch Stelzen – Stelzen sind Krücken und so invalid klingen daran hängende Bronzeglocken, sie wurden für diese Technik nicht konstruiert.
Als größte Glocke ertönt im Johannisgeläut eine Eisenhartgußglocke mit dem Nominal g´ – 6 von Schilling & Lattermann. Diese Glocken sind in seltenen Fällen gut, meistens sind sie glockenmusikalische Fehlgüsse, indem der den Nominal prägende Teilton, die Oberoktave (g˝ – 6) zu tief gegenüber der Prime g´ + 6 (letztere wurde früher Hauptton genannt) ist. Außerdem sind diese Glocken fast ausnahmslos Septimglocken, bei ihnen ist die Unteroktave erhöht zur großen Unterseptime (gis °).
Keiner dieser drei Teiltöne unterstützt den anderen und so haben diese Glocken einen geringen Nachklang und ziehen von Klöppelschlag zu Klöppelschlag nicht durch. Zudem weist die nun auch schon 68 Jahre alte Glocke zunehmend Korrosionsschäden auf.

Das Glockenmotiv:
Geplant war vermutlich die Bildung des altliturgischen „Gloria-Motives“. Die kleine aus Weißwasser dazugekaufte Bronzeglocke (ein Guß von 1924 aus Breslau) ist in der Stimmung aber fast um einen Halbton zu hoch, so dass beinahe eine große Terz mit einer darunterliegenden großen Sekunde die Glockenmelodie bildet. Unglücklich ist für die Klangfarbe des Geläutes, dass die Eisenhartgußglocke nicht nur im Glockenstuhl, sondern auch musikalisch die „mittlere Glocke“ ist.
Die Nominallinie (Schlagtonlinie) ist bei Ihrem Geläut stark verzogen und so ist keine wohlklingende Harmonie möglich.
Die kleine Bronzeglocke aus Weißwasser mit dem Nominal b´ + 7,5 ist ein echtes Kind der Nachkriegszeit, nicht von besonderer Klangkraft aber eine Seltenheit in unserer Region. Die Stettiner Glockengießerei Voß & Sohn goss nur sehr wenige Glocken für die Oberlausitz.
Diese Glocke ist für die Nutzung als Einzelglocke geeignet.

Glockenstuhl:
Der Glockenstuhl wurde mehrfach verändert. Das obere Rähm ist mehrfach an den Turmwänden abgestützt. Ein Teil der Balken sind nur noch schlecht verstrebt und zum Teil auch auszutauschen, bzw. zu verstärken. Ein Tragwerksplaner, der mit solchen Konstruktionen vertraut ist, wurde beauftragt und hat sich bereits an die Untersuchung und Berechnung gemacht.

Empfehlung:
Sanierung des Holzglockenstuhles nach Angaben eines Tragwerksplaners. Guss von zwei Bronzeglocken (die Christus-Glocke und die Melanchthon-Glocke wie ursprünglich von Gruhl 1833 gegossen) in Untermollsextrippe.
Aufhängung aller Glocken an geraden Holzjochen mit Normalklöppel oder ggfl. mit mittelalterlicher Aufhängung als Regenschirmklöppel mit langem Lederband.

ENDE der Zielstellung

2. Eine Reihe erfreulicher Arbeiten sind angestoßen und in Arbeit. Darunter …

  • eine 3D-Animation zu unserem Glockenstuhl, der damit aus allen Richtungen betrachtet werden kann
  • ein maßstabsgetreues Holz-Modell unseres Glockenstuhls mit klingenden Glocken
  • eine Tonsimulation des angestrebten Gruhl-Geläuts von 1833.

All das wird Ihnen Stück für Stück in den nächsten Monaten auch über diese Seite zugänglich gemacht. Freuen Sie sich darauf. Das alles wird ein Augen- und Ohrenschmaus.

3. Am 02.02.1942 schrieb Oswald Urban am Erkerfenster Alter Ring 39 zum Abschiedsläuten unserer Reichenbacher Glocken das Gedicht: „Den Glocken zum Abschied!“ Die Glocken wurden dann am 11.07.1942 aus dem Turm genommen. Davon existieren sw-Bilder. Diese und das Gedicht werden wir in der nächsten Ausgabe veröffentlichen.

4. Gleichzeitig soll ein Gedichtswettbewerb ausgeschrieben werden anlässlich der Wiedergewinnung des Originalgeläuts nach dann 82 Jahren. Ganz Reichenbach und darüber hinaus ist aufgerufen, in einem Gedicht z. B. die Vorfreude auf schöne Glockenklänge zu formulieren oder eine Antwort auf Oswald Urbans Gedicht zu geben oder die neuen Glocken zu begrüßen … oder … oder … oder 🙂 Es wird ein Preis ausgeschrieben für die drei besten Gedichte, die eine ausgewählte Jury aus prominenten Reichenbacher Bürger:innen auswählen wird. Die Preisverleihung wird Teil der Jubiläumsfeierlichkeiten im Juni 2024 sein.

(19.12.2022) 4. Planungstreffen

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